Sommer, Sonne, Segen

Hospitationen in der jugend-kultur-kirche sankt peter in Frankfurt/Main am 17., 18., und 19. Juli 2015

  

    

Figur
Figur
Programm
Programm
Fassade I
Fassade I
Eingang
Eingang
Fassade II
Fassade II
Kirchturm
Kirchturm

 

 

 

 

    

Was will ich hier?

Jugend-kultur-kirche – ich habe ihre Entstehung erlebt. Da hatte jemand den Mut, die Impulse, die von Jugendlichen kamen, aufzunehmen, umzusetzen, etwas daraus zu machen.

Da war diese besondere Veranstaltung Kirchentag gewesen, getragen von vielen jugendlichen Helferinnen und Helfern. Jemand hatte gesagt, so etwas müsse es auch für jüngere Jugendliche geben: für Konfis (die 12- bis 15-Jährigen, manchmal schwer erträglichen, hormongesteuerten Grenzgänger, die in dieser Phase das Leiden lernen und die Liebe und das Sein überhaupt.)

Eine Idee war geboren und es entstanden Jugendkirchentage mit Konfi-Cups und Diskos, Workshops und Vorträgen, Jugendgottesdiensten und Schaumparties, politischen Foren und Graffiti-Künstlern.

Als Hauptamtliche in der Kinder- und Jugendarbeit einer evangelischen Gemeinde habe ich diese Jugendkirchentage mitorganisiert, mitgestaltet, mitgetragen, mitbesucht. Ich habe Liebeskummer mit durchlitten, etliche Gespräche geführt, war Ansprechpartnerin für die, die sich Sorgen machten und später auch für die, um die man sich sorgte. Ich habe erlebt, dass eine Wasserflasche voller Wodka noch schnell geleert werden musste, weil das Schwimmbad, in dem die Schaumparty stattfand, nur ohne Flasche betreten werden durfte. Die Folge waren mehrere Schnapsleichen im Gemeinschaftsschlafraum. Entsprechend wurden die Kontrollen verschärft – und die Geniestreiche bei dem Versuch, an Alkohol zu kommen ebenso. Je enger die Grenzziehung, desto fantasiereicher die Wege, die Grenzen zu umgehen. So funktioniert das Spiel – im Kleinen wie im Großen.

Doch auch Jugendkirchentage gab es nur in jedem zweiten Jahr. Dazwischen gab es wenig, besonders für die Altersgruppe der 12-15jährigen.

Allerdings stellte sich auch heraus, dass die Angebote für die Jugendlichen im kulturellen und jugendkulturellen Bereich gut nachgefragt wurden und erfolgreich waren. Es gab auch diese Angebote in den Gemeinden, bei Tagungen und Freizeiten. Und dazwischen?

Gleichzeitig breitete sich ein Mitgliederschwund in der evangelischen Kirche aus. Es wurde immer schwieriger, die Anzahl der Pfarrerinnen und Pfarrer konstant zu halten. Gemeinden wurden zusammengelegt, die Gemeindepädagogen waren in mehreren Gemeinden tätig. Kirchengebäude standen leer, mussten aber aus Denkmalschutzgründen unterhalten und renoviert werden, was immer schwieriger wurde.

Eberhard Klein war damals Landesjugendpfarrer und maßgeblich an der Entwicklung des Jugendkirchentages beteiligt. Er hatte die Verbindung zu Jugendlichen mit Ideen, Köpfchen und Gestaltungswillen und hat ihnen die Steine aus dem Weg geräumt. So ist auch der Gedanke entstanden, in einem leer stehenden Kirchengebäude, in St. Peter, eine Jugend-kultur-kirche zu gründen. Vereinzelt hatte es bundesweit schon eine Fremdnutzung von Kirchengebäuden gegeben. Meistens waren Kulturschaffende in den Kirchen tätig geworden.

https://www.sanktpeter.com/info/ueber-uns/sankt-peter-das-team/

St. Peter liegt mitten in der Stadt, ist gut vernetzt und gut zu erreichen. Jugendliche werden dort eingesetzt, ihre Kultur zu zeigen, zu leben, daran teilzuhaben. Es sind auch Jugendliche, die sich um Internetauftritt, Vermarktung von Veranstaltungen, Online-Gottesdienste und Einladungen für Konfi-Parties kümmern. Sie werden nicht nur ernst genommen, auf Augenhöhe betrachtet und gehört, sondern dringend gebraucht. Oft kennen sie sich in Teilbereichen erheblich besser aus als die sie Betreuenden. Sie wurden in die Planung einbezogen und in die Gestaltung und es sind ihre Ideen, die verwirklicht werden.

Die Darstellung aus planerischer Sicht ist unter folgendem Link zu finden:

https://www.sanktpeter.com/info/ueber-uns/sankt-peter/sankt-peter-rahmenkonzept/

Unter Entstehung sind hier Informationen zu finden.

Doch keine noch so schöne Utopie ohne grausame Realität. Auch in St. Peter geht es um Besucherzahlen, um Formate, um Honorare und Gelder, um Schwierigkeiten gerade mit der zentralen Lage mitten in Frankfurt….

https://www.sanktpeter.com/

So waren meine Fragen, als ich St. Peter besuchte, entsprechend:

  • Was ist aus dieser Utopie, dieser Idee geworden?
  • Welche Menschen gestalten die Jugend-kultur-kirche?
  • Wer kommt zu den Angeboten?
  • Welche Angebote gibt es?
  • Wie wird hier Religion mit Kultur verbunden?
  • Wer ist jetzt hier tätig?
  • Welche Infrastruktur braucht eine solche Einrichtung?

Die Hospitationen selbst waren geteilt. An drei verschiedenen Nachmittagen/Abenden habe ich die Kirche besucht und drei sehr unterschiedliche Angebote erlebt.

Das erste Angebot am 17.07.2015: Konfi-Party

Das Motto Sommer, Sonne, Segen

stand über der Konfi-Party. Meine eigentliche Ansprechpartnerin, Katrin Dyck, war verhindert und verwies mich an die Pfarrerin Henriette Crüwell, die an allen drei Tagen anwesend war und mir für Fragen zur Verfügung stand.

https://www.sanktpeter.com/info/ueber-uns/sankt-peter-das-team/

Jette (wie Henriette Crüwell von den Jugendlichen genannt wird) empfing die Ehrenamtlichen um 17.00 im Café. Offensichtlich gestalteten sie die Konfi-Party nicht das erste Mal, kannten sich aus und verschwanden auf ihre Plätze. Ich unterhielt mich mit Einigen und fand heraus, dass es einen streng geregelten Einlass gab. An der Tür standen Ehrfurcht einflößende Türsteher.

Beschützer
Beschützer

Zwei Türsteherinnen kontrollierten die Taschen und entfernten alle Flaschen und Zigaretten.

Taschenkontrolle
Taschenkontrolle

An einer nächsten Station wurden die vorher persönlich zugestellten Eintrittskarten gescannt

Scanner
Scanner
Einladung
Einladung

 

Weiter ging es zur Kasse (5,00 € pro Person) und zu den Bändchen

Bändchen I
Bändchen I
Bändchen II
Bändchen II

An der Garderobe konnten die Taschen und Jacken abgegeben werden, bis man endlich im Partyraum ankam. Auch hier hielt sich zwar Security auf, Erwachsene aber haben keinen Zutritt. Auch Sound- und Lichtanlage werden von Jugendlichen bedient und gesteuert..

 

250 Gäste wurden an diesem Abend gezählt. Die Pfarrerin erzählte von 500 – 900 BesucherInnen pro Abend. Vielleicht war es zu heiß, vielleicht gab es an diesem Abend bessere Angebote – viele Eltern waren bei einem Konzert von Udo Lindenberg, das in der Arena stattfand. Vielleicht wollten sie ihre Kinder lieber sicher zu Hause wissen. Wer weiß?

Ich unterhielt mich währenddessen mit demjenigen, der die Karten scannte darüber, ob die Musik die Musik der Jugendlichen sei Er war der Meinung, dass der Musikgeschmack, das, was angesagt und gehört wird, rein von der Musikindustrie bestimmt ist und dass man von eigener Musik nicht würde reden können. Ich fragte mich, ob die Jugendlichen eine ähnliche Sichtweise hätten und mogelte mich für fünf Minuten zwischen die Konfis, die sich also fremdbestimmt auf der Tanzfläche tummelten.

VIDEO

Eine leise Frage blieb übrig an diesem Abend: Wo ist eigentlich die Grenze zwischen Schutz und Überwachung, zwischen augenzwinkernder Kontrolle und Entmündigung?

Das zweite Angebot am 18.07.2015: Jugend-Theater

Ein Fremder im Bus

Am nächsten Abend hatte sich der Kirchen-Raum vollkommen verändert, war zu einem Theatersaal geworden. Drei Monate lang hatte hier eine Theatergruppe unter der Leitung einer jungen Regisseurin geprobt, bis nun hier und unter den Landungsbrücken ein Theaterstück zum Besten gegeben werden konnte: Ein Fremder im Bus. Fünf sehr unterschiedliche Jugendliche gehen zusammen auf eine Reise durch die Religionen, stellen sich ihre Fragen, erzählen schlaglichtartig von eigenen Erfahrungen. Es war eine sehr dichte, berührende Aufführung. https://www.sanktpeter.com/kultur-sehen/theater/ein-fremder-im-bus/

Im Nachgespräch vereinbarte ich in meiner Begeisterung direkt eine weitere Aufführung an unserer Schule, die nun genauer geplant werden muss.

Immerhin war die Begeisterung geteilt mit den jungen Schauspielerinnen und Schauspielern, die sich über die Anerkennung ehrlich freuten.

Das dritte Angebot am 19.07.2015: Ausstellung

AFTERGLOW

Eine junge ehemalige FSJlerin mit ihrer Freundin leiten und gestalten gemeinsam das Café AFTERGLOW. Jeweils an Sonntag Nachmittagen entsteht hier ein Raum für Jugendliche, in dem sie sich treffen können, in den Liegen, Sesseln und Sofas chillen und Musik und Anderes hören können. Hier dürfen sich junge DJs ausprobieren, die vorher in Workshops geschult wurden. Poetry Slams finden statt und an diesem Sonntag war eine junge Foto-Künstlerin dabei, die ihre Bilder „Lebens-Art“ ausstellte.

https://www.sanktpeter.com/kultur-sehen/special/afterglow-the-art-of-life/

Café
Café
Lebens-Art
Lebens-Art

 

 

Mit der ehemaligen FSJlerin, Julia Flick führte ich ein längeres Gespräch über ihre Erfahrungen in der Jugend-kultur-kirche und mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen dort, über ihre Motivation, das Café auch ehrenamtlich weiter zu betreuen und auch darüber, wie für sie Religion und Kultur zusammengehören. Spürbar war ihre Begeisterung für die eigene Idee, die sie mit einer Freundin, Svea, zusammen ehrenamtlich umsetzte. Svea studiert Kunstpädagogik und Spanisch.

Julia hat nach ihrem FSJ zunächst mit Poetry Slam begonnen, und fühlt sich nun, im Rahmen eines Grafik-Praktikums, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit, für den Facebook-Auftritt und Recherche. Sie organisiert Journalismus- Workshops, Kampagnen über Facebook und knüpft Kontakte in den Sommerlesungen am Literaturhaus.

Julia selbst ist nicht konfirmiert. Ich fragte sie, ob ihr bewusst wäre, dass sie durch ihre Tätigkeit Repräsentantin der evangelischen Kirche wäre und damit gegebenenfalls ein Vorbild für die anderen jungen Menschen, die Sankt peter besuchen. Nein, diese Wirkung wäre ihr nicht bewusst, leuchtete ihr aber ein.

Ich meinerseits freute mich, dass durch Menschen wie Julia, Sina und Jette, die Pfarrerin, ein anderes Bild von Kirche vermittelt werden kann. Und es freute mich auch, dass hier Partizipation gelebt und gestaltet werden kann, wie es an der Schule wohl nur selten möglich ist.

Dieser letzte Tag fand sein Ende in einem Jugendgottesdienst für etwa 12 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sehr unterschiedlichen Alters zum Thema Sommer, Sonne, Segen, bei dem die guten Wünsche füreinander mit gasgefüllten Luftballons in den Himmel geschrieben wurden.